Jörg Berens: Rede zum Haushalt 2024

Jörg Berens: Rede zum Haushalt 2024

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

am Freitag endet das für Jüdinnen und Juden so wichtige Chanukka-Fest. Es ist wahrscheinlich eines der schwärzesten, dass die Menschen hier, aber vor allem in Israel, gefeiert haben. Noch immer werden Jüdinnen und Juden, Frauen, Männer und Kinder im Gaza als Geisel der Hamas gehalten und sogar als menschliche Schutzschilde benutzt. Deswegen ist es meiner Fraktion und mir persönlich wichtig, nochmals die volle Solidarität mit dem Staat Israel und unserer Partnerstadt Rishon-le-Zion ausdrücken. Dass Jüdinnen und Juden in unserem Land wieder Angst vor Übergriffen haben, ist beschämend und kann gar nicht scharf genug verurteilt werden. Nie wieder ist Jetzt!

Gleichzeitig feiern die Menschen in unserer ukrainischen Solidaritätspartnerstadt Winnyzja zum zweiten Mal Weihnachten in Kriegszeiten. Auch diese Menschen wollen und dürfen wir nicht vergessen. Meine Bewunderung für die Opferbereitschaft und den Kampfgeist des ukrainischen Volkes ist immer noch so groß wie in den ersten Tagen des Krieges. Aber der Abnutzungskrieg Putins zeigt bedauerlicherweise Wirkung - vor allem im Westen. Doch es bleibt dabei: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen. Die deutsche Bundesregierung, die EU und auch die USA müssen sich aber fragen lassen, ob sie wirklich alles dafür tun, dass das auch möglich ist.

Es ist angesichts der genannten Kriege und Krisen ebenfalls beschämend, dass eine Partei in unserem Land hohe Zustimmungswerte bekommt, die in immer mehr Ländern als gesichert rechtsradikal zu bezeichnen ist. Und wir stellen fest, dass auch in unserer Stadt das Klima geschürt von Antisemitismus und allgemeinen Existenzängsten rauer wird. Deswegen dürfen wir den Rechtsaußen - ein Exemplar haben wir hier in unseren Reihen sitzen - keinen weiteren Raum geben. Deswegen will ich zu Beginn meiner Rede Danke an alle demokratischen Vertreterinnen und Vertreter sagen. Denn bei allen inhaltlichen Differenzen, bei allen für unsere Demokratie so notwendigen Diskussionen, ist der Ton zwischen den Fraktionen und Gruppen und auch mit der Verwaltung stets von Anerkennung und Respekt geprägt. Daran sollten wir uns alle stets erinnern, wenn wir auch mal emotional über inhaltliche Differenzen sprechen.

Beleg für das gute Miteinander ist ein Antrag meiner Fraktion in der letzten Sitzung des Finanzausschusses, der eine Einstimmige Mehrheit bekommen hat, obwohl mit 130.000 € eine deutliche Haushaltsverschlechterung damit verbunden war und der Antrag von uns aus der Opposition herausgestellt wurde. Inhaltlich aber besteht für meine Fraktion und offensichtlich auch für alle anderen kein Zweifel daran, dass wir kleinen Kindern nicht zumuten können, bis zu 2 Kilometer zum nächsten Schwimmbad laufen zu lassen. Ich würde mich freuen, wenn wir alle im kommenden Jahr im Rat öfter über den eigenen “Partei-Tellerrand” schauen, immer mit dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger im Fokus.

Der heute hier zum Abstimmung gestellte Haushalt der Verwaltung mit Veränderungen des Bündnisses inkl. der internationalen Fraktion Die Partei/ÖDP lässt aus unserer Sicht aber die notwendige Priorisierung angesichts immer knapperer Kassen vermissen. Stattdessen bekommt die Internationale Fraktion mit einem sechsstelligen Euro-Betrag für das Hansaforum ein Räppelchen, das ihnen hilft, hier und heute zuzustimmen. Über 100.000 €, die gerade in diesen Zeiten an vielen anderen Stellen sinnvoller eingesetzt hätte werden können. Oder besser noch: Die gar nicht erst hätten ausgegeben werden sollen. Hier zeigt sich, was passiert, wenn das Bündnis sich nicht traut, den Kopf aus ihrer politischen Ecke zu strecken. Die einen haben nur wenige ihnen Zugewandte im Blick. Wir Freien Demokraten haben Familien und das große Ganze im Blick!

Ähnlich wie beim Haushalt des Bundes und des Landes sind in Zeiten wie diesen unbequeme Entscheidungen gefragt. Entscheidungen, zu denen das Bündnis ohne Mehrheit offensichtlich nicht in der Lage war. Daher bekommt die dem Bündnis besonders zugewandte Zielgruppe hier und da ein paar Euro, an die großen Probleme geht das Bündnis aber nicht ran. Im Bereich der ÖPNV-Finanzierung wird dieses Bündnis mehr und mehr zu einem eigenen großen Problem. Aber dazu gleich mehr.

Auch der Personalstellenplan wurde von den meisten nicht ernsthaft hinterfragt. Dabei darf man sich auch nicht nur mit sinnvollen Stellenmehrungen beschäftigen, sondern muss auch bereits bewilligte Stellen hinterfragen. Meine Fraktion hat mindestens in einem Volumen von 700.000 € Stellen identifiziert, die so lange unbesetzt sind, dass erstens eine Besetzung aussichtslos erscheint und zweitens die Tätigkeiten entweder gar nicht erledigt wurden oder von Kollegen übernommen wurden. Dass auch die 8 neuen Stellen des Kommunalen Ordnungsdienstes, die dringend benötigt werden und von uns ausdrücklich begrüßt werden, aus dem laufenden Budget des Stellenplans für 2024 finanziert werden können, lässt nur erahnen, dass hier weiteres Einsparpotenzial schlummert. Doch gerade jetzt ist die Zeit an Planungs- und Budgetreserven heranzugehen. 

Immer mehr Menschen haben das Gefühl, die Stadt kümmert sich nicht mehr um ihre Probleme. Immer mehr Menschen glauben, dass selbe von Land und von unserem Staat in Gänze. Auch das führt zu dem gereizten Klima. Denn in großen Krisen erwarten die Bürgerinnen und Bürger zumindest eins: Eine Stadt und einen Staat, die funktionieren!

Eine Stadt, die funktioniert. Das müsste also die Überschrift für diesen Haushalt sein.

Doch was wäre eigentlich eine Stadt, die funktioniert? Münsters Verwaltung würde sich als Partner und Servicedienstleister der Bürgerinnen und Bürger verstehen. Sie wären Chancenermöglicher und stets darauf bedacht, das Leben der Menschen einfacher zu machen. Doch wie sieht die Realität aus? Münsters Stadtverwaltung ist lieber Geldeintreiber: Lange Schlangen vor den Schwimmbädern. Elektronische Bezahlung Fehlanzeige. Steigerung der Bewohnerparkens um das fast 20-fache. Die Möglichkeit, diese horrenden Gebühren in Raten oder in verschiedenen Zahlintervalle zu begleichen: Fehlanzeige. Dazu kommen weitere Erhöhungen bei den Bädern. Und das alles geschieht unter dem Beifall des Bündnisses ohne Mehrheit samt weiterer linker Fraktionen, die sich zu vielen Themen assoziiert fühlen. Im Mittelpunkt stehen das Erhöhen und das Handaufhalten und nicht die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Digitalisierung bei Behördengängen - Fehlanzeige. Digitale Bauanträge - Fehlanzeige. Und sogar das Umsetzen der digitalen Kfz-Anmeldung konnte in Münster nur mit zeitlicher Verzögerung umgesetzt werden. Bei einem sich verschärfenden Fachkräftemangel rächt sich, dass Münster seinen Bürgern nur weiß machen wollte, wie fortschrittlich die Verwaltung bei der Digitalisierung ist. Jetzt, in Krisenzeiten, sehen wir, wie bürokratisch und unflexibel die Verwaltung tatsächlich noch ist.

In einer Stadt, die funktioniert, könnten Eltern nahezu sorgenlos ihre Kinder in die Kitas schicken. Doch in Münster beherrschen Notfallkonzepte den Kita-Alltag und die von der Verwaltung wild angezettelte und später wieder abgesagte Diskussion über die Reduzierung von Betreuungszeiten. Außerdem herrscht ein Kitanavigator, der alle ins Chaos navigiert hat und über 1.000 Eltern zurücklässt, die keinen Kitaplatz für ihre Kinder haben. Der Solidaritätsfonds, den das Bündnis aufgelegt hat, mag notwendig sein, aber eigentlich hätte es so weit nicht kommen dürfen! Mindestens hier befindet sich Münster im Krisenmodus. Krisenmodus erfordert Krisenmanager. Davon scheinen in Münsters Verwaltung aber keine zu existieren. Wo sind denn die individuellen Lösungsideen? Wo sind denn die Appelle an das Land, das Kibitz finanziell besser auszustatten? Wenn von Seiten der Landesregierung nicht schnell etwas getan wird, braucht uns die nächste Pisa-Studie nicht zu erschrecken. Denn dann blicken wir auf die des Jahres 2023 sogar noch neidisch zurück. Eltern werden allein gelassen. Kita-Träger werden allein gelassen. Und von der Verwaltung hören wir: Lautes Achselzucken.

In einer Stadt, die funktioniert, würde es ausreichend Geld geben, um den ÖPNV auszuweiten. Doch stattdessen hat das Bündnis Geld dem System, durch die Einführung eines nutzlosen 29 € Tickets, entzogen und die sogenannte dritte Finanzierungssäule stellt sich wie so vieles beim Bündnis als Luftbuchung heraus. Gleichzeitig wären jetzt schon Mobilstationen zumindest in Planung und Busvorrangspuren wären der Vorreiter einer Metrobuslinie. All das war vor der Wahl versprochen, all das lässt aber auf sich warten. Hinzu kommt ein voll durchschlagender Fachkräftemangel mit der Konsequenz, dass die Stadtwerke aktuell gerade mal 3⁄4 des Busplans bedienen können. Aber in keinem anderen Sektor ist die richtige Schrittfolge so wichtig wie bei der Mobilität. Hier zeigt sich: Außer dem ideologisch geprägten Zurückdrängen des Autos fällt dem Bündnis nichts ein, was die Mobilitätswende gerade im Sinne des Klima- und Umweltschutzes wirklich voranbringt.

Ich habe Verständnis dafür, dass Politik für die Schwächsten in unserer Gesellschaft gemacht wird, sie brauchen es. Aber dabei dürfen wir die Mitte nicht vergessen. Die Mutter, den Vater mit Kindern, die sich das Leben in unserer Stadt nicht mehr leisten können, weil dieses Jahr alles teurer geworden ist in unserer Stadt. Was wir jetzt brauchen, ist ein Fokus auf die Mitte unserer Gesellschaft. Weniger Bürokratie - Stichwort Milieuschutzsatzung, Baumschutzsatzung - mehr Hands-on Mentalität gerade in der Verwaltung. Wir brauchen Problemlöser und keine Problemverursacher. Das Bündnis aber, Hand in Hand mit der Verwaltung, tut genau dies. Probleme schaffen, wo eigentlich keine sind. Gebühren erhöhen, wo die Menschen keine Alternative haben, als zu zahlen.

Wir brauchen neue Chancen durch mehr Wohneinheiten und das Ausweisen neuer Gewerbeflächen. Wir brauchen Antworten auf die drängendste Frage: Wie managen wir den aktuellen Mangel im Kitabereich? Und wenn sie mit den Menschen auf der Straße sprechen, so hören sie von allen: Was ist eigentlich mit den Bädern los? Wir sprachen im Rahmen der aktuellen Stunde drüber, deswegen sei das Trauerspiel nur am Rande erwähnt.

Münster muss wieder eine Stadt werden, die funktioniert. Münster muss wieder lebenswert werden. Münster muss eine Stadt werden, in der sich Familien das Leben leisten können. Münster muss besser werden!

Daher abschließend: Trotz hoher Einnahmen gibt es kaum mehr etwas zu verteilen. Die mangelnde Fokussierung und fehlende Entschlossenheit des Ratsbündnisses wird dazu führen, dass wir der Haushaltssicherung immer näherkommen. Wenn Initiativen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger dienen, haben wir als konstruktive Opposition in der Vergangenheit und werden wir auch in Zukunft das Ratsbündnis unterstützen. Am Ende des Jahres wird allerdings mit der Haushaltsverabschiedung abgerechnet und wir müssen feststellen, dass auch dieser Haushalt für die Freien Demokraten nicht zustimmungsfähig ist.